translation not yet available Der Kaiser, so heisst es in Franz Kafkas Parabel „Eine kaiserliche Botschaft", hat Dir, dem fernen Untertanen, eine Botschaft gesendet. Der Bote eilt, von der Mitte des Reiches aus, die Stufen des Palastes hinunterstürzend, durch die Vorstädte des Reiches. – Aber es bleibt ungewiss, ob er jemals ankommt, ungewiss der Inhalte der Botschaft; fraglich, ob es sie überhaupt gibt. Und dennoch: der Empfänger träumt von ihr, „wenn es Abend wird". Das jedenfalls ist gewiss. – Das Gleichnis zeigt den Menschen, existentiell erhoffend, untertäniger Empfänger einer eschatologischen Deutung seines Seins. Alles ist Spur, alles ist Botschaft und Hoffnung. Ein Bildtitel von Helga Olufs: Film. Das rote Segment eines Zelluloidstreifens? Deutlich die Perforation für die Filmspule. Absichtlich aus dem Film herausgeschnitten oder zufällig übriggeblieben? Aber, was ist das für ein Film? Wer ist der Filmemacher? Eindeutig ist nur das artifiziell gewordene Relikt, an den Bildrand gerückt, rot belichtet. Etwas zum Träumen und Phantasieren. „Blues": Ein erotischer Tanz sichtbar auf dem Bild als schwarze Körperspur; vielleicht ein Fuß, ein vorgeschobenes Standbein, ein Körperschwung. Wo und wer ist der Tänzer? Blues ist nurmehr eine Farbe, dazu noch als Folie auf durchscheinendem Zementgrund. Eine Stimmung, die ein Tanz geworden ist, wird umgesetzt in ein Zeichen der Bewegung. Geblieben ist ein fast totemistisches Element, ein Relikt, das nur noch einen Malprozess wiedergibt. Durch den Malakt entsteht Ironie gegenüber dem Erleben der Emotion „Blues". „Bubble Gum". Welcher katzenhafte Dämon hat hier seine schwarzen Tappsspuren linear-zwanghaft, aber dennoch sich verlierend im Nichts des reinsten Gelbs, hinterlassen? Das Ganze eine Bildprovokation, die offen lässt, ob das Ausgehen der schwarzen Farbe an den Tatzen oder eine kompositorische Entscheidung das Ende der Spur bewirkt hat. Das Bild „Bubble Gum" wiederholt die Idee der Spuren und Abdrücke in der Gestaltung der blauen Mittelsäule, ein signifikantes Kompositionselement im Werk der Künstlerin. Die „Säule" hinterlässt ihre tiefe Spiegelung, sozusagen einen spirituellen Abglanz, im oberen Bildteil, und versinkt oder „versuppt" geradzu im Gelb des unteren Teils. Drei Aggregatzustände eines Seins, eingefangen in eine strenge Doppelkomposition. „Bubble Gum", es bläht sich auf, hinterlässt Geschmack, wird ausgespuckt als dröger Rest. Auch hier die Ironie und Witz als Mittel zur Distanz. Die Malweise von Helga Olufs reduziert die pragmatischen Phänomene in ihrer Vielfalt und vielleicht auch Unwesentlichkeit auf das Essentielle der Spur, der Zeichen von totemistischem Beschwörungscharakter. „Totem", überall in unserem Alltag: Zeichen, Labels, Signets, Logos, Graffiti-tags, verwirrende Vielfalt der Phänomene und ihrer Bedeutungsschwere. Das totemistische Zeichen aber spricht einen Bann aus über die Fläches des Bildes, und über den fiktiven Raum. Es setzt Dreidimensionalität in die Fläche hinein, und ist kompositorisch endgültig. – Grabstelen australischer Aboriginals gestalten dreidiemnsionale Totems als Zeichen des Endes aller Lebensphänomene; die Wanderung aus dem „totemistischen Brunnen", aus dem jedes Wesen entspringt, landet im totalen Stillstand, sichtbar im allseitig geschlossenen Zeichen. Warum soviel „schwierige" gelbe Farbe, die nicht die kleinste Unreinheit des Pinsels verträgt, in den neuen Bildern der Künstlerin? Variationen: Nickel-Titan-Gelb, Zitronengelb, Safrangelb, Sonnenblumengelb, Chrom-Helio-Gelb, Echtgelb; und davon manchmal zehn Schichten übereinander. Vom hellen Untergrund zur nächsten Lasur, manchmal auch umgekehrt vorgehend, so entsteht Lucidität, eine artifizielle, inszenierte Fläche. Helles Licht auf großer Fläche. Überblendet. Es blendet die Spuren, Zeichen Totems nochmals ein Stück weg. So erinnert die lucide Farbe an das eschatoligische Licht der Heilsverkündung, welches in Kafkas Parabel „Vor dem Gesetz" „der Mann vom Lande" dann erst sieht, als er, fast blind geworden, das Ziel seines Strebens, den „Eingang in das Gesetz" erkennt. Vorher hatte er sich bei den Läusen im Pelz des Türhüters aufgehalten. Malerei aber erzählt keine fertigen Geschichten, sie ermöglicht eine nahezu unendliche Rezeptionsfähigkeit des Betrachters über ihre Mittel wie Farbe, Komposition, Malakt. – Helga Olufs verwendet heavy materials, wie Zement und Asphalt, und artifizielle Farbpigmente, Alltagsmaterie und künstliche Mittel in kompositiorischer Spannung, entsprechend den „Aggregatzuständen“ der realen Phänomene. Pariser Blau, eine Farbe von kultureller Semiotik; Gelb als reinster Farbkörper und Lichtträger; Bitumen, die Gegenwart der Technik und Materie. Mit dem Spachtel aufgetragen, gekratzt, lasiert, verstrichen; „Außer Atem", ob des Gelingens, ein Kreidestrich wie beim Schnittmuster in die blaue Fläche hineingesetzt: ein vital-musikalischer Malakt. Wie der Zen-Meister aus der Mitte der Konzentration das Zeichen setzt, welches seine Energie, sein Leben enthält, und gleichzeitig pure Schönheit schafft in der Reduktion auf das Essentielle der Form und des Gestus. Das Zeichen aber ist Chiffre des Erlebten, das Bild Parabel mit einer unendlichen Botschaft für den Betrachter. Dr. Gudrun Schulz |
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